Elektroauto 2-Jahres-Rückblick
Ein zweiteiliger Erfahrungsbericht:
1) Ist das wirklich alltagstauglich?
2) Ist das wirklich umweltfreundlich?

Teil 1: Ist ein Elektroauto wirklich alltagstauglich?
„Du kommst damit nicht mal zum nächsten Bäcker!“ Ein Spruch, den wir uns zu Anfang schon mal anhören mussten. Wir haben den E-Golf II in der ersten Januar Woche 2018 bei Minusgraden abgeholt. Gleich die erste Zeit hatten wir unheimlich viele Termine, wir brauchten das Auto jeden Tag. Aufladen an der Schuko-Steckdose. Wir laden wenn möglich nur bei Sonne (Solaranlage). Wenn der Akku fast alle ist, brauchen wir daher etwa drei Tage. Als „Anfänger“ waren wir vorsichtig: Heizung aus und ein Deckchen über die Beine (den Tipp haben wir von Iris & Holgi). Püppi und ich haben uns regelrecht einen kleinen Wettbewerb geliefert: Wer fährt sparsamer! Der Golf zeigt sehr genau an, was verbraucht wird. Im zweiten Jahr haben wir das nicht mehr so akribisch betrieben. Daher gibt es mal eine interessante Rechnung für das erste Jahr für Sparfüchse:
Verbrauch Winter ca.: 12,8 kWh/100 km, Verbrauch Sommer ca.: 11,8 kWh/100 km
Durchschnittsverbrauch 2018: 12,3 kWh/100 km (unter VW-Angabe ツ)
Strompreis: Einspeisevergütung 12 Cent. Wir haben auch manchmal bei bedeckten Himmel laden müssen.
Durchschnittspreis 2018: 0,16 Cent (Schätzung)
Macht also 2,00 Euro auf 100 km.
Aber selbst wenn wir im Winter mit Heizung fahren (19 kWh/100 km) und mit dem normalen Öko-Strompreis (0,26 Cent) rechnen, kommen wir im schlimmsten Fall auf etwa 5,00 Euro auf 100 km.
Fazit 1: E-Auto fahren ist unglaublich günstig
Es gibt noch mehr Vorteile: 10 Jahre keine Steuern, geringere Wartungskosten, kostenlos öffentlich parken in Ahrensburg und Hamburg (bis zur angegebenen Parkdauer mit einfacher Parkscheibe). Viele kostenlose Ladestationen. Kommentar von Soebe: „Wie lange würdest du warten um kostenlos Benzin zu tanken?“ Manchmal sehe ich Schlangen an Tankstellen, wo es nur 5 Cent günstiger ist als an der Tanke schräg gegenüber. Die warten mindestens eine halbe Stunde.
Apropos laden: Das Laden eines Elektroautos dauert Stunden, wurde uns von einigen Leuten prophezeit. Laden ja, aber…
Du stehst doch nicht neben dem Auto und wartest bis es fertig geladen wurde! Beim Tanken ist es anders: Du fährst an die Zapfsäule, hängst den Rüssel rein und wartest bis die erforderliche Menge im Tank ist. Dann wird der Rüssel wieder eingehängt. Du gehst zum Counter und stellst dich in die Schlange. Dann bezahlst du und gehst wieder zum Auto, 8 Minuten. Aufladen eine Elektroautos: Die eigentliche Arbeit ist deine Ladezeit: Stecker rein, Stecker raus, 5 Sekunden. Zuhause, klar. Unterwegs 20 Sekunden: Ich fahr zum örtlichen Baumarkt und gegenüber ist ein kostenloser Schnellader. Karte ranhalten, Stecker aus dem Kofferraum holen, Stecker rein, zum Baumarkt gehen, einkaufen, zurück zum Auto, Stecker raus, einpacken, fertig, 20 Sekunden. Da ich sowieso etwas einkaufen wollte kann ich die Einkaufszeit natürlich nicht zur Ladezeit zählen. Für uns bedeutet es: Da wir fast alle Ladevorgänge zuhause erledigen, würde ich mit einen Durchschnitt von 6 Sekunden rechnen. Elektroautos müssen öfters Laden als Verbrenner tanken müssen. Mit einem Diesel Golf kommst du 900 km, mit dem E-Golf bei normaler Fahrweise etwa 240 km. Faktor 3,75. Den multiplizieren wir mit unserer Ladezeit von 6 Sekunden. Macht also 22 Sekunden in unserem Fall. Rechne doch mal nach was du an Zeit benötigen würdest.
Urlaub: Wir fahren mit der Bahn. Schon lange vor dem Elektroauto. Wenn wir in Hamburg im ICE sitzen fängt bei mir der Urlaub nämlich schon an ツ. An dieser Stelle ein Dankeschön an die Bahn, klar gibt es Verspätungen, aber im Ganzen sind wir mit den netten Mitarbeitern und dem Service sehr zufrieden (…auch in Frankreich). Schaut auch in den Kommentaren, dort ist bestimmt ein Erfahrungsbericht von einer/m E-Auto-Fahrer/in ツ die/der mit einem Elektroauto in den Urlaub gefahren ist.
Fazit 2: Laden geht viel schneller als tanken.
Wenn da nicht die Reichweite wäre…
Hiermit kommen wir zur Einleitung. Das erste Jahr haben wir uns vorsichtig an die Grenzen getastet. Völlig unnötig… Du kannst zum Heidepark hin und zurück fahren ohne zwischendurch zu laden und hast immer noch 30-50 Kilometer Restreichweite. Obwohl er laut WLTP das nicht schaffen kann, komisch. Eine Tour 120 km. Hin und zurück 240 km. Gut, wir fahren auch nicht im Winter zum Park. Das sind auch schon die längsten Touren. Rechne einfach mal deine „lange Tour“ aus. Du wirst sehen, es ist mit einem E-Auto ohne zusätzliche Ladesäule fast immer machbar.
Fazit 3: Das E-Auto ist schon seit vielen Jahren alltagstauglich

Gibt es auch negative Aspekte?
Klar, das Auto ist so leise, dass der Innenraumlüfter irgendwann nervt. Das kompensier ich, indem ich die Musik aufdrehe ツ. Ladeinfrastruktur 2020 immer noch nicht einheitlich.
Fazit 4: Positive Argumente überzeugen
Teil 2: Ist ein Elektroauto wirklich umweltfreundlich?
Vorneweg: Es ist immer umweltfreundlicher einen Gebrauchtwagen möglichst lange zu fahren oder gar kein Auto zu fahren.
Ich betrachte daher nur den Aspekt der Anschaffung eines Neuwagens: Elektrisch oder Verbrenner.
Außerdem: Für Berufsfahrer, die 300 km und mehr jeden Tag fahren würde ich noch einen Verbrenner Hybrid empfehlen. Ohne eigene Steckdose ist es zur Zeit rein elektrisch schwierig, besser Hybrid. In Großstädten werden die alternativen Beförderungsmittel gerade ausgebaut. Zum Beispiel das Sammeltaxi von Moia (Hamburg), welches du einfach per App bestellst. Vielleicht schon jetzt eine gute Ergänzung zu den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Allen anderen Autofahrern (Schätzungsweise 90%) empfehle ich ein Elektroauto, es ist gut für euer Portemonnaie (siehe oben) und besser für die Umwelt als ein Verbrenner. Warum auch besser für die Umwelt?
Als Elektroautofahrer werden wir häufig gemobbt:
1. Ey, euer Auspuff ist das Kohlekraftwerk, sagt Komiker Mario Barth
2. Kinder im Kongo schürfen für eure Batterien Kobald
3. Für die Batterieherstellung braucht man unglaublich viel Wasser
4. Bauern in den Lithium Abbaugebieten können nicht mehr überleben
5. Die Batterien werden nach 150.000 km auf den Müll geschmissen
6. Fast eine halbe Million Arbeitsplätze gehen verloren
7. Es gibt zu wenig Ladesäulen
8. Die Stromversorgung bricht zusammen
9. Die Lithium Reserven reichen nicht
10. Wasserstoff-Autos sind die Zukunft
11. Hybrid-Autos sind die Zukunft
12. Keiner will ein Elektroauto kaufen
So die Presse…
Kleverhof:
13. Pferde sind die Zukunft 😀
- Selbst wenn der Auspuff das Kohlekraftwerk ist, fährt ein Elektroauto klimafreundlicher, sagt die Fachwelt.
- Kinder schürfen schon lange nach Kobald für Laptop & Handy Akkus. Kinderarbeit ist keine Erfindung der Elektroautos. Es schürfen auch in Südafrika Kinder nach Platin für Katalysatoren. Egal für welches Auto du dich also entscheidest. Bei Lebensmitteln ist es schon jetzt möglich gegen Kinderarbeit vorzugehen: Kauft Fair-Trade. Wer seine Schokolade und seinen Kaffee beim Discounter kauft, sollte sich an dieser Stelle bitte nicht beschweren! 2025 werden Batterien übrigens Kobaldfrei sein.
- Für den Abbau des Lithium’s einer VW-Golf Batterie ist der Wasserverbrauch so hoch wie für etwa 300 Blatt Kopierpapier. Das Wasser-Argument kannst du also gleich vergessen.
- Aber für den Lithium-Abbau werden Bauern in Bolivien, Chile und Argentinien um ihren Anbau gebracht!
In der Wüste um diese Salzseen ist kein Ackerbau möglich. Menschen, die sich dort ansiedeln leben seit vielen Jahrzehnten von dem Abbau & Tourismus. Quelle: Wikipedia
Als wenn es keine ökologischen, sozialen und politischen Aspekte bei der Ölförderung gibt. - Auto Akkus halten nicht lange. Die vielzitierte „Schweden Studie“ der Elektroauto-Kritiker aus dem Jahre 2017 vergleicht hier Auto Akkus mit Handy Akkus. Ist aber nicht das Gleiche. In der Praxis: Hyundai z.B. gibt 200.000 km Garantie auf seine Batterien. Frag mal einen Automechaniker was nach dieser Kilometerleistung bei einem Verbrenner alles anfällt. Teslas fahren über 400.000 km. Habe schon mit vielen E-Golf Fahrern gesprochen. Über 150.000 km und keine Verluste spürbar. Aber selbst nach der Beendung der Lebensdauer stehen sie als Speicher zur Verfügung (Second Life). Und letztendlich können über 90% einer Batterie recycelt werden. Das geht mit Sprit leider nicht.
- Arbeitsplätze: Kurzfristig ja. Aber wenn die Deutsche Automobilindustrie auf lange Sicht den Anschluss verpasst, gehen noch viel mehr Arbeitsplätze verloren. Das ist damals auch bei Kodak passiert: Zu spät und nur halbherzig haben sie auf digitale Fotografie umgestellt. „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ (Dr. Volker van Rüth)
- Wenig Ladesäulen? Deine Ladesäule ist die Steckdose an deinem Parkplatz, deinem Carport oder deiner Garage oder an deinem Arbeitsplatz, manchmal auch beim Einkaufen.
Unterwegs brauchst du die Ladesäule nur bei „langen Touren“, siehe oben. (Wir haben in 2 Jahren E-Auto noch nie eine öffentliche Ladesäule wirklich gebraucht). - Das Netz bricht zusammen… Selbst der ADAC sagt: „In Deutschland sind mittelfristig wohl keine größeren Probleme zu erwarten“.
- Keine Lithium Reseven? Laut Öko-Institut e.V. übersteigen die weltweiten Vorkommen von Lithium, Kobalt, Nickel, Grafit und Platin den Bedarf deutlich.
- Wasserstoff? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Zur Zeit kostet ein Kilo Wasserstoff 9,50 Euro und du kommst etwa 100 km damit bei zügiger Fahrweise. Überzeugt mich nicht wirklich, da müsste das Kilo schon unter 6 Euro kosten…
Es ist aber mit Sicherheit eine stationäre Lösung oder eine Lösung für z.B. Kreuzfahrtschiffe. - Beim Hybrid kommen wir der Sache schon näher. Solange es keine Lösung für Vielfahrer gibt, ist meiner Meinung nach ein Hybrid für die Berufsfahrer perfekt!
- Keiner will ein E-Auto? Da hilft ein Blick auf die Zulassungszahlen: Die steigen ständig. Und der ADAC gibt zu, dass Elektroautos über alle Klassen in der Gesamtkostenbilanz günstiger sind als Verbrenner. Wenn sich das erstmal rumgesprochen hat und in den Köpfen angekommen ist, kauft keine/r mehr einen Verbrenner. Ehrlich… Ich glaube: „Es ist nur eine Frage der Zeit. Langsamer ohne Subventionen, schneller mit Subventionen. Achja, wann stellen wir eigentlich die Subventionen für Dieselkraftstoff ein?“
- Pferde sind natürlich am besten. Wir sind Demeter! Folglich wären bei diesem Modell, unserer Meinung nach, alle Menschen überglücklich und zufrieden… (Back to the Roots). Bei diesem Punkt wird sich Sönke (Soebe, goingelectric.de) allerdings massiv beschweren…
Wäre es nicht schön, unabhängig vom Öl zu werden? Strom kannst du auch von einem der vielen Ökostrom-Anbieter beziehen. Stell dir vor, alle Menschen in Europa würden das machen. Es hätte eine unmittelbare Abschaltung von Kernkraftwerken und Kohlekraftwerken zur Folge.
Fazit 5: Ja, ein E-Auto ist sehr viel umweltfreundlicher als ein Verbrenner
Fazit 6: Am umweltfreundlichsten ist ein Fahrrad ツ
Nachtrag: Die Medien berichten zum grossen Teil sehr negativ über Elekroautos. Klar, die Fachwelt ist sich einig, aber die Journalisten und die Medien müssen Geld verdienen. Viele Menschen fürchten sich noch vor der neuen (alten) Technik. Daher ist es nur verständlich, dass negative Meldungen über Elektroautos besser bei der Masse ankommen.
Doch laut unserer Erfahrung ist ein E-Auto schon seit vielen Jahren absolut alltagstauglich.
Trau dich ツ!
Ein emotionales und schwieriges Thema. Was fährst Du: Benziner, Diesel, Hybrid, Elektro? Wir haben vorher auch einen Diesel gefahren. Unsere Schlepper in der Gärtnerei fahren mit Diesel. Hier wird keiner beschimpft der „Verbrennerfreundlich“ ist! Wie ist deine Meinung? Schreibe einen Kommentar, bleibe sachlich!